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08.11.2022 | Wirtschaftsförderung | Schwerpunkt | Online-Artikel

Wer Expats anlocken will, muss ihnen etwas bieten

verfasst von: Annette Speck

4:30 Min. Lesedauer

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Das ist bitter: Im "Best & Worst Places for Expats"-Ranking rangiert Deutschland auf Platz 42 von 52 Ländern. Vor allem das Ankommen im Alltag fällt internationalen Fachkräften hierzulande schwer. Was ist zu tun, um Expats zu begeistern?

Laut der Bundesagentur für Arbeit braucht Deutschland jährlich 400.000 Zuwanderer, um dem Arbeitskräftemangel zu begegnen. Dumm nur, dass Deutschland für ausländische Fachkräfte "lange nicht so attraktiv ist, wie wir glauben zu sein." Letzteres merkte Janina Kugel, Aufsichtsrätin beim Touristikkonzern TUI und Senior Advisorin bei der Boston Consulting Group im Juni 2022 bei den Nürnberger Gesprächen an.

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Expats fühlen sich nicht willkommen

Die Aussage der Ex-Siemens-Vorständin Kugel wird durch die Studie "Expat Insider 2022" des Auswanderernetzwerks Internations mehr als bestätigt. So stellen die befragten Expatriates (Expats) Deutschland hinsichtlich Eingewöhnungsfaktoren wie Freundlichkeit und Willkommenskultur ein so schlechtes Zeugnis aus, dass es im Ländervergleich auf Rang 48 landet. Noch verheerender ist das Abschneiden im Teilbereich Expat Essentials. Hier fließen die Bewertungen für essentielle Rahmenbedingungen wie digitale Infrastruktur, Verwaltung, Wohnen und Sprache ein – und Deutschland belegt den letzten Platz unter den 52 Ländern.

Die Ergebnisse basieren auf der Befragung von knapp 12.000 Expats (900 in Deutschland) im Februar 2022 über das Leben und Arbeiten in 52 Zielländern. Die Teilnehmenden bewerteten dabei insgesamt 56 Aspekte, die den Bereichen Lebensqualität, Eingewöhnung, Arbeitsleben im Ausland, persönliche Finanzen sowie Expat Essentials/Basics zugeordnet wurden. Die Top-5-Destinationen für Expats sind demnach Mexiko, Indonesien, Taiwan, Portugal und Spanien.

Während sich laut der Befragung im Schnitt 71 Prozent der Expats in ihrer Wahlheimat wohlfühlen, sind es in Deutschland nur 66 Prozent. Zu den größten Hürden im Alltag zählen für sie, 

  • dass Expats es sehr schwer haben, in Deutschland eine Wohnung zu finden.
  • dass man sich in Deutschland kaum zurechtfindet, wenn man die Sprache nicht beherrscht.
  • die schlechte digitale Infrastruktur in Deutschland – vom bargeldlosen Zahlen über das Internet bis zu Behördenkontakten.

Topbewertung für Jobsicherheit in Deutschland

Die beste Bereichsbewertung erzielt Deutschland im Bereich "Arbeitsleben im Ausland"(Platz zwölf). Hier finden die Expats vor allem das Gehalt und die Jobsicherheit sehr gut. Aber auch Karriereperspektiven und Work-Life-Balance werden von den internationalen Beschäftigten positiv hervorgehoben. Recht gut (Platz 15) schneidet Deutschland auch in punkto allgemeine Lebensqualität ab: Die deutsche Wirtschaft, die politische Stabilität, die Sicherheit sowie Umwelt und Klima erzielen gute Bewertungen.

Arbeitgeber punkten mit Relocation Service

Doch was können Kommunen und Arbeitgeber tun, damit Integration und Teilhabe von Expats insgesamt besser gelingen und das Länderimage aufpoliert wird?

Eine mögliche Maßnahme für Unternehmen, die internationale Fachkräfte rekrutieren wollen, ist beispielsweise, ihnen einen Relocation Service zur Seite zu stellen. Dieser unterstützt die neuen Mitarbeitenden und ihre Familien während des gesamten Umzugsprozesses, von administrativen Erledigungen über die Wohnungssuche bis zu Sprachkursen.

Unterstützung beim Visumantrag 

Auch für Expats oder Firmen, die “lediglich“ Unterstützung beim Visumsantrag benötigen, gibt es Hilfe. Anja Schüür-Langkau stellt in dem Artikel "Migration auf der Überholspur" in der Zeitschrift "Innovative Verwaltung" beispielsweise das Start-up Visaright vor.

Das Unternehmen unterstützt mit einem automatisierten digitalen Visum-Antragsverfahren Firmen, die ausländische Fachkräfte einstellen wollen. "Ich wollte Menschen, die sich mit der deutschen Bürokratie schwertun und extrem langen Bearbeitungszeiten ausgesetzt sind, eine zeitgemäße, smarte und digitale Lösung anbieten", erklärt Firmengründer Andreas Kopysov auf Seite 44. 

Die Legal-Tech-Software berücksichtigt die aktuelle Rechtslage und bezieht Expertenwissen aus dem Migrationsrecht ein. Zudem wird eine Berechtigungsprüfung nach deutschem Visumsrecht vorgenommen. Dadurch erhalten die Antragstellenden einen ersten Überblick über ihre Erfolgsaussichten. Ferner kann Visaright den Ausländerbehörden weitgehend automatisierte Visumanträge liefern und "die Bearbeitungsdauer auf Sachbearbeiterebene um durchschnittlich 80 Prozent verkürzen", heißt es auf Seite 45.

Interkulturelle Kompetenz entwickeln

Für Expatriates wie für Unternehmen, die sie beschäftigen wollen, ist es außerdem grundsätzlich sinnvoll, interkulturelle Kompetenz aufzubauen, um das Miteinander erfolgreich zu gestalten. Laut Holger Witzenleiter und Stefan Luppold gehören dazu folgende Teilkompetenzen, die etwa in einem modularen Lehrgang an der Ludwig-Maximilian-Universität (LMU) erworben werden können (Seite 131):

  • Bewusstsein für die eigene kulturelle Prägung und Perspektive ("Kulturbrille")
  • Fähigkeit zur Selbstdistanzierung und zur Selbstreflexion
  • Ambiguitätstoleranz
  • Wahrnehmungspräzisierung
  • Kultursensibler Blick
  • Fähigkeiten zum Perspektivenwechsel
  • Flexibilität in Kommunikationsmustern
  • Erweiterung der Handlungsroutinen

Stadtmarketing als Koordinator für Willkommenskultur

Eine große Baustelle ist die Willkommenskultur in Deutschland. Integration und Willkommenskultur seien zwar klassischerweise Aufgaben von Politik und Verwaltung, wie Springer-Autor Andreas Vlašić betont. Doch auch das Stadtmarketing könne ein wichtiger Akteur sein. Denn es bildet eine Schnittstelle zwischen Politik, Verwaltung und Wirtschaft. Und die daraus resultierenden Kontakte erleichtern es, gemeinsame Initiativen aufzusetzen und zu koordinieren.

Mit Blick auf die relevanten Faktoren für gelingende Integration systematisiert Vlašić die generellen Aufgaben-/Handlungsfelder, in denen sich das Stadtmarketing engagieren kann (Seite 251/252):

Was Stadtmarketing für gelingende Integration tun kann

Interkulturelle Öffnung der Verwaltungbeispielsweise, Wahrnehmen spezifischer Bedürfnisse und Problemlagen von Migranten

Verbesserung der Bildungschancen von Migrantenetwa durch Sprachförderkurse, dezidierte Stipendien, Angebote für frühkindliche Bildung und Information der Eltern

Erschließung der ökonomischen Potenziale von Migrantenzum Beispiel durch Förderung der beruflichen Integration von Zuwanderern, Förderung ethnischer Selbstständigkeit, Kommunikation der Relevanz von Migranten als Konsumenten-Zielgruppen

Verstärkter Einbezug der Migranten in gesellschaftliche Strukturen, möglicherweise durch politische Partizipation, Engagement in bürgerschaftlichen Initiativen, Mitgliedschaft in Vereinen

Kommunikative Entwicklung funktionaler Bilder des Zusammenlebens, etwa durch Intensivierung des interkulturellen und interreligiösen Dialogs, Positionierung gegen Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit

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