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25.03.2021 | Diversitätsmanagement | Interview | Online-Artikel

"Die Frauenquote kann allenfalls ein Notnagel sein"

3:30 Min. Lesedauer

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Noch in dieser Legislaturperiode will die Bundesregierung die verbindliche Frauenquote in Vorständen deutscher Unternehmen durchs Parlament bringen. Doch diese Lösung ist nicht das Nonplusultra, so Personalexpertin Ulla Wiegandt im Gespräch mit Springer Professional. 
 

Springer Professional: Wie sieht es aktuell mit Frauen in Führungspositionen aus?

Ulla Wiegand: Die Verteilung von weiblichen Führungskräften variiert stark je nach Sektor und funktionalen Bereichen. So findet man beispielsweise mehr Frauen in der Versicherungsindustrie als im Maschinenbau, Finanzrollen sind häufiger weiblich besetzt als Rollen im Engineering. Insgesamt ist jedoch klar festzustellen, dass Frauen auf Führungsebene in Deutschland nach wie vor stark unterrepräsentiert sind.

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Status quo Frauenquote Vorstände: Was ist aktuell geplant? In welchem Stadium befindet sich die Regelung auf dem Weg durch die Instanzen?

Das Bundeskabinett hat im Januar einen Gesetzentwurf in den parlamentarischen Prozess eingebracht. Nach den uns bekannten Plänen der Bundesregierung ist die Verabschiedung noch in dieser Legislaturperiode geplant.

Welche Positionen gibt es zum Thema Frauenquote in Vorständen?

Die verpflichtende Frauenquote polarisiert stark. Gegen sie spricht, dass sich Frauen in Führungspositionen dadurch dem Vorwurf stellen müssen, nicht aufgrund ihrer Qualifikation in die jeweilige Position berufen worden zu sein. Zudem mag das ein oder andere Unternehmen tatsächlich nur aus rechtlichem und gesellschaftlichem Druck heraus handeln, ohne zu hinterfragen, warum es keine oder nur wenige Frauen im eigenen Management-Team gibt. Solche Besetzungen haben ein überdurchschnittlich hohes Risiko nicht erfolgreich zu sein, sofern es keine enge kulturelle Begleitung der Besetzung gibt. 

Und was spricht für die Frauenquote?

Ein Argument dafür ist, dass sich in der Industrie in zehn Jahren der Selbstverpflichtung keine positive Veränderung ergeben hat. Das erweckt den Eindruck, dass eine entsprechende Quote zumindest für eine Übergangsphase notwendig ist, da erst durch stärkere weibliche Repräsentanz in Führungsrollen Vorbilder geschaffen werden, die unternehmerische Entscheidungsprozesse um die weibliche Perspektive ergänzen. Klar ist auch, dass eine solche Veränderung nicht durch eine einzelne Frau in einem größeren Gremium, sondern erst mit einer breiteren Präsenz die volle Wirkung entfalten kann. 

Wie muss die Personalplanung in Unternehmen und paritätisch geführter Unternehmen gegebenenfalls angepasst werden?

Wichtig ist, in Beförderungsprozessen sicherzustellen, dass Gremien nicht rein männlich besetzt sind und Maßnahmen gegen den sogenannten Unconscious bias, die unbewusste Benachteiligung bestimmter Gruppen, ergriffen wurden. Analysen zeigen nicht nur Ähnlichkeiten hinsichtlich Geschlecht und sozialer Herkunft, sondern auch einen Überhang gewisser Universitäten und Namen: das "Thomas-Phänomen", demzufolge es bis vor Kurzem mehr Thomasse und Michaels in deutschen Vorständen gab als Frauen. 

Auch muss das Bewusstsein für die Andersartigkeiten der Geschlechter geschärft werden: Studien belegen, dass Männer sich auf Stellenausschreibungen bei einer Passung von 60 Prozent bewerben, während Frauen sich eher bei 90 Prozent für qualifiziert halten. Ein objektivierter Blick von außen auf die möglichen Talente ist daher unabdingbar. Entscheidend ist, dass Frauen mit der Familiengründung nicht aus der Nachfolgeplanung verschwinden. Es gibt Belege, dass männliche und weibliche Karrierewege bis zum Zeitpunkt der Familiengründung quasi parallel verlaufen, dann aber auseinandergehen. Auch hier muss sich das Bewusstsein ändern, damit in Zukunft eine vorübergehende Abwesenheit nicht zum Karrierekiller wird. 

Ist eine Frauenquote der Königsweg oder muss es weitere Maßnahmen zur Frauenförderung geben?

Die Frauenquote kann allenfalls ein Notnagel sein. Um wirkliche Fortschritte zu erreichen, muss es zum einen eine breitere gesellschaftliche Debatte zum Thema der Kinderbetreuung geben. Zum anderen aber müssen viele Unternehmen ihre eigene Erfolgskultur zu diesen Themen kritisch hinterfragen. Wird Erfolg von Männern und Frauen im Unternehmen ähnlich definiert und verstanden? Gibt es gemeinsame Werte, die von beiden Geschlechtern getragen werden? Ist die Kommunikationskultur für beide Geschlechter gleichermaßen effizient? Diversität steht in sehr engem Zusammenhang mit Inklusion, also der Förderung und Akzeptanz von Unterschieden, verschiedener Sichtweisen und Kommunikations- und Führungsstilen. Nur, wenn ein Unternehmen für unterschiedliche Führungsstile offen ist, kann es langfristig eine gestärkten Diversität, auch über Geschlechterrollen hinaus, erwarten.

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