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09.10.2019 | Transformation | Schwerpunkt | Online-Artikel

Deutsche Unternehmen unterschätzen globale Risiken

verfasst von: Michaela Paefgen-Laß, Andrea Amerland

4 Min. Lesedauer

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Deutsche Unternehmen schauen optimistisch in die Zukunft. Wirtschaftliche und geopolitische Risiken scheinen sie kaum aus der Ruhe zu bringen. Experten denken, dass für sie der Himmel aber allzu blau ist und die Krisenprävention vernachlässigt wird.

Die Datenlecks ufern aus, der US-Präsident trampelt durch den Welthandel, hier Brexit, dort Cybercrime und allerorten Krisen. Wie sicher können sich deutsche Unternehmen noch fühlen und wie rüsten sie sich für die Zukunft? Das wollten die Berater von KPMG erfahren und hörten sich in zwölf Schlüsselbranchen der deutschen Wirtschaft um. Befragt wurden rund 600 Entscheider in Unternehmen mit einem Umsatz von zusammen 350 Milliarden Euro. Es zeigt sich: Deutsche Unternehmen sind optimistisch, weil sie falsch bewerten, was auf sie zukommen wird.

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Die Herausforderungen, vor denen Unternehmen stehen, haben auch konkrete Zahlen. Exemplarisch an Deutschland verdeutlicht: Im Jahr 2015 zählten gemäß Definition des IfM-Bonn rund 3,5 Mio. und damit 99,6 % aller Unternehmen zu den kleinen und mittleren (KMU).


Unternehmen setzen nach wie vor auf Wachstum

Trotz vieler internationaler Krisen und Konflikte spielen die globalen Risiken bei den strategischen Entscheidungen und den unternehmerischen Investionen nach wie vor nur eine untergeordnete Rolle – auch wenn die Zahl der Optimisten im Vergleich zur Vorjahresbefragung rückläufig ist. Die Rund 58 Prozent der befragten Unternehmen blicken laut "Future Readiness Index 2019" positiv in die Zukunft (2018: 68 Prozent). Gleichzeitig steigt die Zahl der Pessimisten: Jedes zehnte Unternehmen (2018: sechs Prozent) blickt sehr verhalten nach vorn.

Wie die Betrachtung einzelner Branchen zeigt, hat im Handel die Zuversicht zwar sogar zugenommen (2019: 64 Prozent; 2018: 40 Prozent in 2019), allerdings geht im Energie-, Chemie- und Finanzsektor der Trend klar nach unten. 

Der eingetrübten wirtschaftlichen Entwicklung und den noch ungelösten politischen Konflikten ungeachtet genießt das Wachstum bei den meisten befragten Unternehmen höchste Priorität. Allerdings üben sie sich bei den Investionen in abwartender Zurückhaltung, so die Einschätzung der KPMG-Berater, die sich dabei unter anderem auf eine DIHK-Umfrage aus dem April 2019 berufen. Diese zeige, das deutsche Investionen in den USA und China bereits rückläufig seien.

Auch die Aufwendungen für die Bedienung von Kundenbedürfnissen (2019: 85 Prozent; 2018: 84 Prozent), den technologischen Fortschritt (2019: 66 Prozent; 2018: 69 Prozent), das Produkt- und Dienstleistungsportfolio (2019: 58 Prozent; 2018: 67 Prozent) sowie Prozesse- und Arbeitsabläufe (2019: 61 Prozent; 2018: 66 Prozent) sind rückläufig oder in etwa auf dem Vorjahresnieveau. 

Risikomanagement bei Investionen unterpriorisiert

Auffällig ist, dass trotz des beständig unsicheren wirtschaftspolitischen Umfelds, selbst Investitionen in das Krisen- und Change Management heruntergefahren werden. Budget für internationale Krisen und Konflikte hat nur noch für 13 Prozent (2018: 19 Prozent) höchste Priorität. Die Anpassung an weltwirtschaftliche Veränderungen stehen lediglich bei 18 Prozent (2018: 27 Prozent) auf der Tagesordnung ganz oben. Auf ökologische Veränderungen reagieren zu können, sehen 35 Prozent der Unternehmen (2018: 41 Prozent) als relevant an, für gesellschaftliche Veränderungen Geld in petto zu haben, finden 44 Prozent (2018: 51 Prozent) wichtig. Anpassungsfähigkeit scheint als Zukunftsziel also wenig attraktiv. Unterschätzen Unternehmen wirtschaftspolitische Entwicklungen und externe Risiken? Die KPMG-Berater beantworten diese Frage ganz klar mit Ja:

Die Unternehmen laufen jedoch Gefahr, die sich schnell wandelnden Rahmenbedingungen in der Weltwirtschaft zu unterschätzen. Die Auswirkungen von Handelskonflikten, Export-Zöllen oder Lieferanten-Ausschlüssen auf international verflochtene Lieferketten können massiv sein. Werden die komplexen und dynamischen Entwicklungen im erweiterten Marktumfeld nicht angemessen erfasst, analysiert und bewertet, laufen die Unternehmen Gefahr, von diesen Entwicklungen überrascht und überrollt zu werden."

Zukunftsherausforderungen für Unternehmen

Nach den größten Zukunftsthemen und Herausforderungen gefragt, nennen die Unternehmen aber nicht als erstes geopolitische Risiken, sondern den demografischen Wandel, die Veränderung der Kundenbedürfnisse sowie Nachhaltigkeit und Klimawandel. Der Future Readiness Index hat aus den Antworten ein Ranking ermittelt.

Rang

Die größten Herausforderungen aus Sicht deutscher Unternehmen

1

  • Veränderung der Kundenbedürfnisse 

2

  • Demografischer Wandel 

3

  • Steigende Bedeutung von Nachhaltigkeit 

4

  • Datenexplosion

5

  • Zunehmende Bedrohung der Unternehmenssicherheit

6

  • Abnehmende Innovationszyklen und Time-to-Marke

7

  • Automatisierung 

8

  • Virtualisierung

9

  • Konvergenz

10

  • Disruptive Geschäftsmodelle und Technologien

11

  • Dezentralisierung

12

  • Zunahme geopolitischer Spannungen

Quelle: KPMG "Future Readiness Index 2019"

Wieso Risikomanagement Pflicht sein sollte

Angesichts der Umfrageergebnisse sollten sich Unternehmen fragen, wie heute ein angemessenes Risikomanagement aussehen kann, empfehlen die KPMG-Berater. "Das Risikomanagement ist darauf ausgerichtet, kritische Situationen im Rahmen der Unternehmenstätigkeiten frühzeitig zu erkennen, zu vermeiden oder zu reduzieren beziehungsweise alternativ die Wirkung der Risiken zu minimieren", definiert Springer-Autor Hans-Christian Brauweiler den Begriff Risikomanagement. Dabei gelte das aktive Management der bestehenden Chancen und Risiken als Grundlage und Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens und sei als ein determinierender Faktor für den künftigen Unternehmenswert beziehungsweise den -gewinn, unterstreicht Brauweiler die Bedeutung des Risikomanagements für Unternehmen. So kann mit einem etablierten Risikomanagementsystem unter anderem:

  • ein Frühwarnsystem für alle wesentlichen Risiken aufgebaut;
  • chancen- und risikorelevante Tendenzen und Entwicklungen identifiziert;
  • Risiken konsequent analysiert, bewertet und behandelt;
  • Risikokosten, etwa durch niedrigere Versicherungsprämien kontinuierlich gesenkt und
  • die Kreditwürdigkeit beziehungsweise die Ratings (gleichbedeutend mit Senkung des Ausfall- oder Insolvenzrisikos) verbessert und damit die Kapitalkosten gesenkt werden.

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