Skip to main content

2021 | Buch

Handbuch Filmtheorie

insite
SUCHEN

Über dieses Buch

​Das erste Handbuch zur Filmtheorie im deutschsprachigen Raum stellt in fundierten, aktuellen und von ausgewiesenen Fachleuten verfassten Artikeln zentrale Paradigmen, Grundlagen, Konzepte und methodische Ansätze der Filmtheorie vor. In ausführlichen und selbständigen Artikeln gibt das Handbuch einen Überblick über Themen und Debatten der Filmtheorie und arbeitet ihre Aktualität heraus. Es vermittelt einen umfassenden und systematischen Einblick in die Fachdiskussion und ihre interdisziplinäre Vernetzung.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Warum Filmtheorie? Kein Epitaph
Einleitung in das Handbuch Filmtheorie

Die Einleitung stellt Struktur und Zielsetzung des Handbuchs Filmtheorie vor. Vor dem Hintergrund theoriekritischer Tendenzen in den Geisteswissenschaften insgesamt wie auch in der Filmwissenschaft im Besonderen wird der Wert von Theorie und ihre Funktion im Gesamtkontext des Fachs dargelegt. Die gegenwärtige Lage der Filmtheorie wird vor dem Hintergrund einer Reihe von Entwicklungen skizziert: einer Hinwendung zur empirisch-historischen Forschung einerseits und zu philosophischen Fragestellungen andererseits; ein durch die Digitalisierung vorangetriebener Wandel zu einer postmedialen Konstellation und die Entwicklung des Fachs vor dem Hintergrund von Reformen und Globalisierung.

Bernhard Groß, Thomas Morsch

Filmtheoretische Paradigmen: Ein historischer Überblick

Frontmatter
Von der Frühen zur Klassischen Filmtheorie der Stummfilmzeit
Film als medienkulturelle Größe und als Kunst

Die Filmtheorie formiert sich als ein Netzwerk an Argumenten und Denkfiguren über das Kino innerhalb der frühen Debatte der Intelligenz (ab 1907), die als medienkultureller Diskurs zum ersten Bewegtbildmedium (paradigmatisch für spätere Mediendebatten im 20. Jahrhundert) geführt wird. Steht dabei die ästhetische Differenz zu den Künsten noch im Vordergrund, so entwickelt sich (ab 1912) ein Filmkunstdiskurs, der zur klassischen Filmtheorie hinführt, die hier in drei Linien – Konstruktivismus, Wahrnehmungssensibilisierung und Bildgestalt – ihren Umriss findet.

Jörg Schweinitz
Film als Sprache
Semiotik des Films und Strukturalismus

Von den 1960er- bis 1980er-Jahren war die Filmsemiotik strukturalistischer Prägung zweifellos der dominante Ansatz in der modernen Filmtheorie. Initiiert von dem französischen Theoretiker Christian Metz (1931–1993) fand die systematische Erforschung des Films mittels sprachwissenschaftlicher Konzepte und Methoden bald viele Anhänger, aber auch Kritiker. In den 1970er-Jahren führte die Filmsemiotik sodann zur sukzessiven Institutionalisierung der filmwissenschaftlichen Disziplin, zuerst in Frankreich, bald darauf in Großbritannien, in den USA und weiteren europäischen Ländern sowie in Japan.

Margrit Tröhler
Film als Text
Poststrukturalismus und Textuelle Analyse

Im Kontext von Poststrukturalismus und Semiotik bildet sich Ende der 1960er-Jahre das Textparadigma der Filmwissenschaft heraus. Im Umkreis der semiologischen Schriften von Roland Barthes und Christian Metz erfolgt eine epistemische Verortung des Filmdiskurses in den Geisteswissenschaften. Der Beitrag entwirft eine Genealogie der Idee von Film als Text an der Schnittstelle der klassischen und der modernen Filmtheorie und stellt ausgewählte textuelle Filmanalysen von Thierry Kuntzel und Roland Barthes vor, die von einem klassischen bzw. von einem dekonstruierten Zeichenbegriff ausgehen. Im Mittelpunkt stehen die Dekonstruktion der klassischen Filmtheorie sowie die Unterscheidung zwischen Film („fait filmique“) und Kino („fait cinématographique“) bei Christian Metz.

Sabine Nessel
Psychoanalytische Filmtheorie
Das Unbewusste des Kinos

Keine filmwissenschaftliche Theorie scheint so stark von Widersprüchen geprägt wie die psychoanalytische: Gehörte sie in den 1970er-Jahren zu den wirkungsmächtigsten Modellen der Auseinandersetzung mit dem Kino, die sogar zur Etablierung der Filmwissenschaft beitragen konnte, findet sie heute kaum noch Zuspruch. Dieser Aufsatz versucht einerseits, die Positionen wissenshistorisch aufzuarbeiten, andererseits auch, die aktuelle Relevanz einer psychoanalytisch orientierten Theoriebildung darzustellen. Die klassischen Ansätze von Jean-Louis Baudry, Christian Metz und Stephen Heath lassen sich aus dieser Perspektive als notwendige ideologiekritische Einwürfe verstehen, deren Rekurs auf die Psychoanalyse nicht immer unproblematisch ist. Insbesondere die späteren Korrekturen von Joan Copjec und Slavoj Žižek rücken jedoch die – auch heute noch – radikalen Einsichten in die Gespaltenheit der menschlichen Psyche in den Vordergrund, die in den Traumspielen und Unheimlichkeiten des Kinos seit Beginn des 20. Jahrhunderts einen materialen, visuellen Niederschlag finden. Entsprechend wäre die Psychoanalyse auch in der Filmwissenschaft als einzigartige Theorie, Methode und Praxis einer eben nicht objektivierbaren Subjektivität wieder zu entdecken, anhand derer sich nicht zuletzt die menschliche Wahrnehmung und die Liebe zum Kino reflektieren lässt.

Veronika Rall
Feministische Filmtheorie und Genderforschung

Feministische Filmtheorie hat grundsätzlich eine kritische und politische Ausrichtung. Untersuchte sie zunächst filmische Gender-Repräsentationen auf ihren ideologischen Gehalt hin, so werden diese in der Folge sowohl historisch wie auch theoretisch relativiert. Feministische Filmtheorie und Genderforschung erschließen repressive Strukturen, ebenso aber auch emanzipatorische Möglichkeiten und Hoffnungen in Film und Kino.

Heike Klippel
Neoformalismus und Kognitive Filmtheorie

Mit dem von David Bordwell und Kristin Thompson initiierten Neoformalismus/Kognitivismus wird einer der meistverbreiteten filmtheoretischen Ansätze vor dem Hintergrund seines Entstehungskontextes dargestellt. Betrachtet werden nacheinander die theoretischen Grundannahmen und die stilistischen und narratologischen Konzepte der neoformalistischen Filmanalyse sowie das kognitivistische Modell des Filmverstehens und der Filminterpretation. Am Ende werden bekannte Einwände gegen das Paradigma diskutiert und weitere Kritikpunkte formuliert.

Guido Kirsten
Phänomenologische Filmtheorie
Primat der Wahrnehmung und der Sinne

Phänomenologische Filmtheorie hat sich vor allem seit den 1990er-Jahren als Gegenbewegung zur semiotischen und psychoanalytischen Filmtheorie etabliert. In ihr geht es um eine Aufwertung der sinnlichen Grundlagen von Erfahrung, deren Untersuchung zumeist auf dem phänomenologischen Ansatz Maurice Merleau-Pontys aufbaut. Zentral für diese Bewegung ist die Theorie Vivian Sobchacks, in deren Folge die Sinnlichkeit der Filmwahrnehmung neu betrachtet wurde.

Anke Zechner
Deleuzianische Filmtheorie

Die Bedeutung der Filmphilosophie von Gilles Deleuze wird heute darin erkannt, den Kanon der weitgehend westlichen Spielfilme entlang der – mit Bergson und Peirce entwickelten – Begriffe von Bewegungs- und Zeit-Bild, Wahrnehmungs-, Affektions- und Aktions-Bild, von Virtualität und Aktualität des Bildlichen zu klassifizieren. Ein Problem dieser Taxonomie liegt in der gleichzeitig historischen und systematischen Unterteilung der Filme rund um den behaupteten ästhetischen Bruch des Zweiten Weltkriegs. Weitergeführt wird Deleuzes Begrifflichkeit heute vor allem in politisch motivierten Lesarten, die sich verstärkt für affektive, minoritäre und kompositkulturelle Ästhetiken interessieren.

Michaela Ott

Theoretische Grundlagen filmischer Gattungen

Frontmatter
Genretheorien des Films

Der Beitrag beschreibt zunächst die Dynamik der Theoriebildung, die das Entstehen von Genretheorien des Films seit etwa 1970 befeuert hat. Im Rahmen eines kritischen Überblicks befragt er Genretheorien dann auf ihre Produktivität, indem er drei ihrer langjährigen Themen schlaglichtartig beleuchtet: ihr Denken in Taxonomien (klassifikatorischen Bestimmungen), Genealogien (historischen Abfolgen) und Zuschauerbeziehungen (kommunikativen Kontrakten).

Patrick Vonderau
Theorie des Dokumentar- und Essayfilms

Die theoretische Ausarbeitung des Dokumentarfilms entwertete die Spielarten des frühen Non-Fiction-Films und seine Ästhetik der Ansichten. Sie richtete ihn an neuen Gestaltungsprinzipien aus, die umfassende Ansprüche der Erklärung eines Geschehens mit einer am Spielfilm abgelesenen narrativen Aufbereitung verband. In dem Maße, wie die Vorstellung kritisiert oder aufgegeben wird, dass Bilder und Töne als Argumente innerhalb einer Beweisführung dienen oder die Teilhabe an starken und authentischen Emotionen vermitteln sollen, gewinnt eine essayistische Konzeption des Dokumentarfilms an Bedeutung. Statt das Dokumentarische an die Werte der Repräsentation, Wahrheit oder Lebensnähe zu binden, entstehen dokumentarische Formen, die die Passion für das Reale durch die kontrapunktische Kompilation heterogener Materialien und Techniken der imaginativen Erzeugung oder Überlagerung von Wirklichkeitsspuren infrage stellen.

Friedrich Balke
Theorie des Avantgarde-, Experimental- und Undergroundfilms

Jede Darstellung, die auf eine Theorie des Avantgarde-, Experimental- und Undergroundfilms zielt, sieht sich mit dem Problem konfrontiert, dass es nicht zu wenige, sondern zu viele Theorien gibt, die eine theoretische Durchdringung des Feldes in Aussicht stellen. Oft von den Filmemacher∗innen selbst oder diesen nahestehenden Kritiker∗innen verfasst, antworten diese Theorien auf Fragestellungen, die eng mit der jeweils zeitgenössischen Entwicklung der (Film)kunst verbunden sind, ohne zusammengenommen bereits eine Theorie im wissenschaftlich konsistenten Sinn zu ergeben. Aus diesem Grund beschränkt sich die Darstellung im Folgenden auf einige, bereits in den 1920er-Jahren entwickelte theoretische Konzepte, die historisch bedeutsam geworden sind und eine erste Matrix bilden für eine nach wie vor ausstehende Theorie des avantgardistischen Filmschaffens.

Vrääth Öhner
Theorie des Amateur- und Gebrauchsfilms

Der Aufsatz geht dem Amateur- und Gebrauchsfilm in seinem Potenzial zur Transformation und Weiterentwicklung der Filmtheorie nach. Dabei wird die These vertreten, dass die Amateur- und Gebrauchsfilmforschung wesentlich dazu beigetragen haben, die Filmwissenschaft medien- und kulturwissenschaftlich zu konturieren, ohne sie in der Medienwissenschaft aufgehen zu lassen.Die Leistung des Gebrauchsfilms bringt die Filmtheorie zum Nachdenken über Medienverbünde und kulturelle Konstellationen. Darüber hinaus lassen sich Amateur- und Familienfilm theoriegeschichtlich als Katalysatoren für die Genese des semiopragmatischen Ansatzes verstehen, dessen Beitrag in der Emanzipation der Rezeptionsmodalitäten von der Werkgestalt liegt.

Alexandra Schneider
Animationstheorien

Animationsforschung beschäftigt sich als relativ junge Interdisziplin mit einem umfangreichen und heterogenen Gebiet, das eine Vielzahl an Formen, Stilen und Techniken beinhaltet und in unterschiedlichen Kontexten eingesetzt wird. In diesem Sinne bietet der Beitrag einen Überblick über die wichtigsten Theorien, Methoden und Forschungsfelder der Animation Studies. Den theoretischen Rahmen bilden die unterschiedlichen Bedeutungen des polysemen Begriffs Animation.

Erwin Feyersinger, Franziska Bruckner

Theoretische Grundlagen der Filmgeschichte

Frontmatter
Filmgeschichte
Film, Geschichte und die Politik der Bilder

Das Denken des Verhältnisses von Film und Geschichte hat drei Ausrichtungen: Entweder geht es a) um die Geschichtsschreibung des Films bzw. (seit der New Film History in den 1980er-Jahren) des Kinos von seinen Anfängen bis heute; oder es geht b) darum, Film selbst als historische Quelle zu betrachten, die mentalitätsgeschichtliche Informationen oder solche zur materiellen Kultur liefert. Schließlich wird c) die eigene Historizität des Films und der Medien untersucht. Während die ersten beiden Denkrichtungen eher an geschichtswissenschaftlichen Problemstellungen orientiert sind, d. h. der Rekonstruktion von Ereignissen und Fakten und an deren Infragestellung, zielt die letztere auf geschichtsphilosophische Fragen, die eher einer Medientheorie des Historischen oder einer Ästhetik des Historischen zuarbeiten.

Bernhard Groß
Film und Politik

Im weiten Diskursfeld Film und Politik konzentriert sich der Beitrag auf vier Aspekte: 1. auf Theorien, die den Film als Spiegel gesellschaftlicher Verhältnisse interpretieren, 2. auf Ansätze, die durch Medienaktivismus gesellschaftliche Verhältnisse zu verändern versuchen, 3. auf Theorien, die von einer politischen Dimension der Wahrnehmung selbst ausgehen und 4. auf die sogenannten Dispositiv-Theorien und aus ihrer Ausdifferenzierung hervorgehende neuere Ansätze.

Philipp Blum, Thomas Weber
Historische Poetik des Films

Im Rahmen der neoformalistischen Filmtheorie wurde eine Idee einer „historical poetics of cinema“ formuliert, die hier in ihrem theoretischen Kontext verortet und in ihren Implikationen vorgestellt wird. Ausgehend von der Rezeptionsgeschichte und der Kritik an diesem Ansatz wird eine alternative Lesart von historischer Poetik entworfen.

Hermann Kappelhoff, Matthias Grotkopp
Indexikalität und filmischer Realismus

Der Beitrag befasst sich mit der Theoriegeschichte des filmischen Realismus. Chronologisch greift er die einschlägigen Debatten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf, die sich zwischen ontologischen und epistemologischen Konzepten abspielen, um in der Frage nach der Indexikalität, wie sie im Kontext der Digitalisierung auflebt, einen Schwerpunkt zu setzen. Realismus dient dabei als Suchbegriff, der zwischen den ästhetischen Möglichkeiten und den epistemischen, politischen und ökonomischen Ansprüchen an den Film vermittelt. Zum Schluss wird Realismus als eine im Kern politische Kategorie diskutiert.

Christian Pischel
Von der filmischen Moderne zum Postmodernismus
Modernitätstheorien des Kinos

Der Text stellt Definitionen und Grundlagen des modernen Films anhand verschiedener Positionen dar, die von André Bazin und Gilles Deleuze über Christian Metz, Lorenz Engell, Youssef Ishaghpour bis zu Jacques Rancière reichen. Es werden dabei wichtige Einflüsse und Begriffe, etwa das Verhältnis des modernen Films zur Narration, zur Bildästhetik und zu anderen Medien erörtert. Zur Sprache kommen jedoch auch kritische Stimmen, die der Idee der Modernisierung des Films widersprechen. Im Anschluss werden zentrale Aspekte der filmischen Postmoderne und die Veränderungen zwischen Moderne und Postmoderne in den Blick genommen.

Oliver Fahle
Postkoloniale Filmtheorie
Drittes Kino und kulturelle Differenz

Ausgehend von der gegenwärtigen Hinwendung zum Archiv des Dritten Kinos rekonstruiert der Aufsatz die Herausbildung postkolonialer Filmtheorie von ihren Anfängen in antikolonialer Theorie und Filmpraxis bis zu aktuellen Auseinandersetzungen über die Potenziale der Digitalisierung. Er verfolgt diese in drei thematischen Strängen: Fragen der Sichtbarkeit und der Repräsentation, koloniales Erbe des Kinos und Film als Ethnografie, sowie Auseinandersetzungen mit Erinnerung, Geschichtlichkeit und Zeitlichkeit.

Maja Figge

Theoretische Grundlagen der Filmästhetik

Frontmatter
Politique des auteurs und die Theorie filmischer Autorschaft

Konzepten filmischer Autorschaft haftet seit den Anfängen des Mediums etwas Prekäres an: Ging es zunächst darum, das noch junge Medium gegenüber der Literatur zu nobilitieren und dem bürgerlichen Kunstkanon zu integrieren, so verschob sich der Akzent nach dem Zweiten Weltkrieg auf die filmästhetischen Praktiken, die nun zunehmend als individuelle Handschriften einzelner Regie-Subjekte ausgewiesen wurden. Die Verabschiedung des Autors in den späten 60er-Jahren markierte zugleich den Paradigmenwechsel von der Produktions- zur Rezeptionsästhetik, zu emanzipativen Formen der Partizipation und schließlich einer dividuellen Autorschaft.

Christian Schulte
Theorie filmischen Erzählens

Ein wichtiges und daher extensiv erforschtes Strukturierungsprinzip von Filmen ist das Erzählen, die unabhängige kommunikative Vermittlung einer temporal-kausalen Ereigniskette. Die Filmnarrativik hat zum einen die Interaktionen von Figuren, typische Entwicklungsmuster und intertexuelle Tiefenstrukturen von Erzählfilmen untersucht. Zum anderen wurden der narrative Vermittlungsprozess zwischen Fabula und Sujet, das Zusammenwirken visueller und auditiver Erzählinstanzen, die Schichtung mehrerer Erzählebenen, das komplexe Phänomen der Erzählperspektive sowie die Rolle des Rezipienten beleuchtet. In historischer Hinsicht hat die filmwissenschaftliche Erzählforschung intern zwischen mehreren Erzählstilen differenziert und extern der Narration die alternative Ästhetik der Attraktion ge1genübergestellt.

Lars Nowak
Psychologie des Films
Kognition – Emotion – Empathie

Die affektive Wirkung bildet ein zentrales Element des Filmerlebens. Auf der Grundlage der kognitiven Filmtheorie wurden verschiedene theoretische Ansätze entwickelt, die die emotionale Erfahrung des Zuschauers bei der Rezeption von Filmen untersuchen und Elemente psychologischer Emotionstheorien in ihre Überlegungen einbeziehen. Der Beitrag stellt diese Ansätze vor und zeigt deren unterschiedliche theoretische Perspektiven auf. Abschließend geht er auf das Themenfeld der Empathie des Rezipienten mit Filmfiguren ein.

Thomas Schick
Blick und Wahrnehmung, Affekt und Körper im Kino

Der Beitrag betrachtet die theoretischen Kategorien Blick und Wahrnehmung, Affekt und Körper als Verhältnisbegriffe, die sich zu unterschiedlichen Zeiten und in Kontexten unterschiedlicher Medienumgebungen auf ein jeweils anderes Verständnis von „Kino“ beziehen. Ausgangspunkt ist die aktuelle Entwicklung und Entgrenzung des Kinos im Horizont digitaler Zugangs- und Rezeptionsformen.

Franziska Heller
Kino als kollektiver Erfahrungsraum
Die Öffentlichkeit des Kinos

Dieser Artikel stellt einige der zentralen Theoriepositionen vor, die sich mit dem Kino (a) als Raum kollektiver Erfahrung und (b) als Ort der Öffentlichkeit auseinandergesetzt haben. Einen Bogen von der frühen zur zeitgenössischen Filmtheorie schlagend, unterscheidet der Beitrag dabei eine im weitesten Sinne phänomenologische Perspektive mit Blick auf die konkrete kollektive Erfahrung des Publikums von einem eher soziologisch-politischen Blickwinkel, der auf den Begriff der Öffentlichkeit abzielt.

Julian Hanich
Theoretische Aspekte der Montage, der filmischen Verfahren und Techniken

Filmische Verfahren sind isolierbare handwerkliche und technische Aspekte der Filmherstellung (etwa die Varianten der Montage, der Kadrierung der Beleuchtung u. a. mehr). Zugleich sind viele dieser Verfahren immer wieder Anlass und Ausgangspunkt grundsätzlicher film- und medientheoretischer Überlegungen geworden, vor allem in den kunstwissenschaftlich geprägten Diskussionen der frühen Filmtheorie. Filmische Verfahren bilden somit ein Scharnier und einen Anlass zum Dialog zwischen filmischer Praxis und theoretischem Diskurs. Im Zuge der Digitalisierung gewinnt die Reflexion dieser Bausteine des Films neue Bedeutung.

Malte Hagener, Dietmar Kammerer
Sound
Theorie des Filmtons

Die Theorie des Filmtons beinhaltet zahlreiche Diskurse, die eng mit der filmhistorischen Entwicklung verknüpft sind. Anhand von ausgewählten Filmbeispielen werden vier Forschungsfelder vorgestellt. Neben dem Zusammenspiel von fotografischen und phonographischen Verfahren während des Übergangs zum Tonfilm wird das Verhältnis von Filmton und außerfilmischer Realität im New Hollywoodkino fokussiert. Die ästhetische und politische Dimension der Stimme, sowie die Gestaltung und Rezeption des Sound Designs werden am Beispiel zeitgenössischer Filme theoretisch erschlossen. Alle vier Forschungsfelder werden in je einem Kapitel dargestellt und in Kurzanalysen greifbar gemacht.

Rasmus Greiner, Winfried Pauleit
Raum
Topografie und Topologie des Films – Geopolitik des Kinos

Der Raum ist ein konstitutives Element filmischer Darstellungs- und Wahrnehmungsformen. Als solches unterliegt er in der Filmtheorie und -ästhetik einer langen Reihe zunehmend feinerer kategorialer und funktionaler Ausdifferenzierungen innerfilmischer Bezüge. Über das Begriffspaar Topografie und Topologie öffnet sich das Nachdenken über den Film zugleich auf dessen außer-, vor- und nachfilmische Verortungen. Das Konzept der Geopolitik markiert schließlich mit seinen Bezügen zu außerfilmischen sozialen und politischen Lebenswelten einen raumwissenschaftlichen Ansatz, unter dem sich seit den 1990er-Jahren auch andere Disziplinen mit dem Film weitgehend unabhängig von den einschlägigen filmwissenschaftlichen und -theoretischen Diskurstraditionen beschäftigen.

Matthias Christen, Silke Martin
Zeit
Zeitkonstruktion, Zeiterfahrung und Erinnerung im Film – Theorien filmischer Zeit

Dieser Artikel behandelt den Aspekt der Zeitlichkeit als Bedingung der Möglichkeit filmischer Bilder. Es wird davon ausgegangen, dass filmische Bilder nur in der spezifischen Art und Weise ihrer zeitlichen Entfaltung der Wahrnehmung von Zuschauern zugänglich sind. Auf dieser Grundlage beschreibt der Artikel zwei Dimensionen filmischer Zeitlichkeit im Akt der Filmwahrnehmung – die von Zuschauern zu durchlaufende Dramaturgie eines Films und die Konstruktion filmischer Zeitverhältnisse – sowie ihr Verhältnis zueinander.

Hermann Kappelhoff, Hauke Lehmann
Theoretische Aspekte von 3D und immersiven Bildtechnologien

Mit der Rückkehr des stereoskopischen 3D-Kinos seit 2009 hat sich eine umfangreiche Debatte entwickelt, in der die Frage nach dem Nutzen der technisch realisierten dritten Bilddimension für die Raumerfahrung im Kino zentral ist. Mit dem 3D-Kino werden somit filmtheoretische Fragen nach dem Status von Bildtechnologien virulent, die gesteigerte Raumerfahrung – Immersion – in Aussicht stellen. In dieser Hinsicht gliedert sich das 3D-Kino in eine lange Reihe kinematographischer Bildtechnologien ein, die auf zusätzliche Rauminformationen durch Vergrößerung der Projektionsfläche (Cinemascope, Cinerama, Imax) oder multisensorische Ergänzungen (Ton, Geruch) abzielen. Für die Filmtheorie ist dabei das Zusammenspiel von Technologie, Ästhetik und Erfahrung von besonderem Interesse: Mit dem Begriff der Immersion werden grundlegende (medien-)theoretische Fragen nach technisch, narrativ und bildlich vermittelter Raumwahrnehmung adressiert, die über das Kino im engeren Sinne hinausweisen (Computerspiel, Virtual Reality). Es zeigt sich, dass die scheinbar randständigen räumlichen und immersiven Bildformen fundamentale Fragen nach den Gegenständen ‚Film‘ und ‚Kino‘ aufwerfen, die mindestens ex negativo definitorisch für das gesamte Feld sind.

Dominik Maeder, Jens Schröter
Digitales Kino, Postkinematografie und Post-Continuity

Die Diskussion um die Digitalisierung des Films ist in der Filmtheorie seit den späten 1990er-Jahren vor allem als Debatte über den Verlust der Indexikalität des Films, und damit des wesentlichen Distinktionsmerkmals filmischer und fotografischer Medien geführt worden. Erst in jüngerer Zeit ist die Frage nach den spezifischen Ausdruckspotenzialen des digitalen Bildes und damit nach den Möglichkeiten einer ästhetischen Erneuerung des Kinos im Zeichen des Digitalen und den sich daraus für die Filmtheorie ergebenden Konsequenzen in den Vordergrund gerückt.

Thomas Morsch

Neue und transdisziplinäre Perspektiven der Filmtheorie

Frontmatter
Star Studies

Als Personen, denen – aufgrund besonderer Leistungen und/oder einer auffälligen Medienpräsenz – eine erhöhte öffentliche Aufmerksamkeit zuteil wird, sind Stars Fluchtpunkt unterschiedlicher Interessen, Perspektiven und Projektionen. Auch die mit dem Phänomen befasste Forschung widmet sich so diversen Fragestellungen wie der Geschichte des Starsystems, der (sowohl medienspezifischen wie -übergreifenden) Konstitution von Star-Images, der Rezeption durch verschiedene Publika und den Affekten, die in diesem Prozess mobilisiert werden, sowie den gesellschaftlichen und kommerziellen Funktionen von Stars. Entsprechend ist das Forschungsfeld durch seine interdisziplinäre Ausrichtung und einen Methodenpluralismus gekennzeichnet, der neben der semiotischen Analyse einzelner „Star-Texte“ u. a. psychoanalytische, soziologische und medienökonomische Ansätze umfasst. Nachdem zentrale Impulse in den 1970er-Jahren von der filmwissenschaftlichen Star-Forschung ausgingen, tragen neuere Tendenzen innerhalb der Celebrity Studies der Ausdifferenzierung des Spektrums von Figuren öffentlicher Aufmerksamkeit Rechnung, wie sie insbesondere durch das Fernsehen und die Digitalkultur begünstigt wurde.

Brigitte Weingart
Queere Theorie und Filmtheorie

Queere Theorien und Filmtheorien teilen grundsätzliche Fragen zu Körperbildern, Formen der Repräsentation, Sichtbarmachung und Geschichtsschreibung. Der Artikel rekonstruiert und diskutiert grundlegende Schriften, Begriffe und Paradigmen (Identität, Textualität, Performativität, Normativität, Historizität, Affektivität, Intersektionalität) und bindet den aktuellen Forschungsstand an signifikante Filmbeispiele zurück und ergänzt ihn durch filmtheoretische Querverweise.

Chris Tedjasukmana
Intertextualität und Serialität im Film

Intertextualität ist bislang in der Filmtheorie explizit wenig bearbeitet worden, kann jedoch auf verschiedene filmische Formate wie Romanadaptionen, Remakes und Filmserien wie auch auf das allgemeine Verhältnis zwischen Film und Welt, einschließlich der in ihr existierenden Texte bezogen werden. Der Text beschränkt sich jedoch weitgehend auf eine engere Definition und legt anhand von Beispielen die theoretischen Diskussionen um Adaptionen, Remakes und Filmserien, sowie intertextuelle Referenzen zu Literatur und Fernsehen dar.

Michaela Wünsch
Medienbeziehungen des Films
Intermedialität, Transmedialität und Remediatisierung

Medienbeziehungen sind für die Herstellung medialer Identität fundamental. Seit der Frühzeit des Films wurde dessen mediale Spezifik im Medienvergleich konstituiert. Intermedialität, Remediatisierung und Medienreflexion sind verschiedene Konzepte, anhand derer das Vorkommen anderer Medien in Filmen untersucht wird, wobei sich der Fokus von der Voraussetzung von Medienspezifik zu deren performativer Herstellung verschiebt. Transmedialität interessiert sich dafür, medienübergreifende Phänomene zu denken, Multimodalität hingegen damit die mediale Einheit des Films zu problematisieren.

Jens Ruchatz
Medienarchäologie und Film

Medienarchäologie hat sich als Methode einer unorthodox operierenden Mediengeschichte etabliert. Angesiedelt zwischen einer Archäologie des Wissens und einer Genealogie in Foucaults (und Nietzsches) Sinn beschäftigt sie sich vor allem mit den wechselvollen, brüchigen Geschichten von Materialien, Apparaten und medialen Ensembles, den vielfachen Anfängen und losen Enden der Mediengeschichte ebenso wie mit deren notorischen Wiederaufnahmen. Damit betreibt Medienarchäologie zugleich Mediengeschichte im Plural. Sie entfaltet singuläre Gegen-Geschichten und verfolgt damit eine ‚An-Archäologie‘ in Siegfried Zielinskis Sinn. In der Film- und Kinowissenschaft hat sie sowohl Beiträge zur verzweigten Epistemologie des Bewegungsbildes als auch materialreiche Studien zu lokalen historischen Kinokulturen und zur Dispositivforschung hervorgebracht. Neuerdings finden auch medienökologische Konzepte Eingang in die Medienarchäologie.

Petra Löffler
Black Box/White Cube
Kino und zeitgenössische Kunst

Bewegte Bilder gehören seit langem zum Ausstellungsalltag in Museen und Galerien. Nachdem für lange Zeit der Monitor das privilegierte Abspielmedium für Videokunst war, hat unter den Bedingungen von Digitalisierung und Projektionstechnik eine deutliche Annäherung an die Präsentationsform und ästhetische Positionen des Kinos stattgefunden. Filmtheoretische Fragestellungen wie das Dispositiv und Zuschauerkonzepte stehen vor diesem Hintergrund auf dem Prüfstand. Der Text beschreibt das Verhältnis von Black Box und White Cube anhand zweier paradigmatischer Ausstellungen – Passages de l’Image (1990) und documenta 12 (2007) und schlägt eine Systematisierung unterschiedlicher Perspektiven auf die Kunst/Kino-Konstellation vor.

Volker Pantenburg
Bildwissenschaften und Filmtheorie

Der Beitrag fragt nach Verbindungslinien zwischen Bildwissenschaften und Filmtheorie. Skizziert werden Positionen der Bildtheorie, um sie für filmtheoretische Überlegungen nutzbar zu machen. Filmtheoretische Traditionslinien werden zudem als Bildtheorien des Films avant la lettre verstanden, insofern sie medienspezifische bildtheoretische Reflexionen unternehmen. Von hier aus werden gegenseitige Inspirationsmöglichkeiten von Film- und Bildtheorie entworfen, welche bildtheoretisch informierte Relektüren filmtheoretischer Positionen sowie Potenziale einer Befragung von Bildtheorien durch filmwissenschaftliche Zugänge umfassen.

Christine Hanke
Philosophie und Film
Methodische Selbstreflexion der philosophischen Praxisform im Zeichen des Filmischen

Philosophie und Film stehen beide in einem spannungsreichen und vielschichtigen Verhältnis zueinander. Die Komplexität dieses Verhältnisses besteht formal gesehen darin, dass aus der jeweiligen Sicht der einen Seite nicht nur ein Verständnis der anderen Seite, sondern immer auch ein Verständnis des Verhältnisses entworfen wird. Inhaltlich gesehen rührt sie daher, dass Philosophie und Film als Weisen der Verständigung des Menschen über sich und die Welt zwar ein gemeinsames Bezugsproblem gegeben ist, aber sie diesen Bezug nur in Form eines Widerstreits austragen können, der es nicht erlaubt, das eine auf das andere zurückzuführen. Ausgehend von der irreduziblen Differenz muss ein philosophisches Fragen nach dem Film immer mit einer methodischen Selbstreflexion verbunden sein, die zugleich eine Selbstbegrenzung des Zugriffs auf den Gegenstand Film bedeutet. Filmphilosophie ist auf die Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen angewiesen und kann der Frage nach dem Filmischen in seiner heterogenen Vielfalt nur exemplarisch nachgehen. Ausgehend von diesen methodischen Überlegungen wird in einer Analytik ein disjunktives, parataktisches, inklusives und situatives Verhältnis von Philosophie und Film zueinander unterschieden.

Sebastian Lederle
Metadaten
Titel
Handbuch Filmtheorie
herausgegeben von
Dr. Bernhard Groß
Dr. Thomas Morsch
Copyright-Jahr
2021
Electronic ISBN
978-3-658-08998-6
Print ISBN
978-3-658-08997-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-08998-6