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04.01.2023 | Krisenmanagement | Schwerpunkt | Online-Artikel

Geballte Krisen erwischen Unternehmen kalt

verfasst von: Annette Speck

4:30 Min. Lesedauer

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Mit kleineren oder hausgemachten Krisen haben viele Unternehmen Erfahrung. Auf die aktuellen externen Schocks sind die meisten dagegen kaum vorbereitet, so eine Studie. Ganze Branchen kommen ins Straucheln. Wo die Restrukturierung ansetzen muss.

Eine solche Krisenanhäufung gab es wohl noch nie: Pandemie, Krieg, Inflation. Hinzu kommen viele schwelende Konflikte, explodierende Energie- und Materialpreise, anhaltende Lieferkettenprobleme, Fachkräftemangel und Rezessionsängste, die die Wirtschaft belasten. Und die Digitalisierung sowie gestiegene ESG-Anforderungen müssen Unternehmen ebenfalls wuppen.

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Angesichts all dieser Hürden wundert es nicht, dass 92 Prozent der für die "Restrukturierungsstudie 2022" der Unternehmensberatung Roland Berger befragten Fachleute in den nächsten zwölf Monaten mehr Restrukturierungsfälle erwarten. Besonders erschreckend: Mehr als die Hälfte der über 650 für die Studie befragten Experten aus dem Bankwesen, der Sanierungsberatung und der Insolvenzverwaltung aus der DACH-Region sieht die Unternehmen nur bedingt oder gar nicht auf exogene Schocks vorbereitet. 

Um die Widerstandsfähigkeit gegen äußere Widrigkeiten zu erhöhen, hält knapp jeder zweite Studienteilnehmende die Etablierung eines dedizierten Risikomanagements zur Krisenfrüherkennung für unabdingbar. Weitere besonders geeignete Maßnahmen sind demnach auch die Diversifizierung des Zulieferernetzwerks (43 Prozent) und die Erhöhung der Liquiditätsreserven (34 Prozent).

Preissteigerungen und Inflation sind Top-Risiken

Als größte Risiken wurden in der Befragung steigende Rohstoff- und Energiepreise und die hohe Inflation (68 Prozent) sowie geopolitische Veränderungen (65 Prozent) genannt. Aber auch der Fachkräftemangel und Zinssteigerungen werden von den Experten stärker als noch 2021 als Risiko wahrgenommen.

"Um die Kostensteigerungen bei Rohstoffen, Energie, aber auch Personal zu kompensieren, müssten Unternehmen zur Margenabsicherung ihre Preise in diesem Jahr um durchschnittlich sieben Prozent erhöhen", erklärt Studienautor Gerd Sievers, Senior Partner bei Roland Berger. Doch gerade kleinen und mittleren Unternehmen fehlt oftmals die Marktmarkt, um Preisanpassungen durchzusetzen. Gelingt dies nicht, droht eine finanzielle Schieflage.

Sorgenkind Automobilindustrie

Nicht alle Branchen trifft die schwierige Gemengelage allerdings gleich stark. Als Sorgenkind Nummer eins mit dem größten Restrukturierungsbedarf identifiziert die Studie die Automobilindustrie. Vor allem die Zulieferer seien ohnehin durch die Umbrüche der letzten Jahre gebeutelt. Nun würden die gestiegenen Kosten ihre Profitabilität und Liquidität gefährden. Gerd Sievers rät: "Abhilfe schaffen könnte die Neugestaltung von Rahmenverträgen, die auf Marktindizes basieren."

Knappe Güter bereiten Probleme

Auch die Energiebranche steht nach Meinung der befragten Experten vor einem grundlegenden Wandel. Zwar haben die enorm gestiegenen Strompreise zu satten Gewinnen geführt, gleichzeitig führt die hohe Marktvolatilität zu einem deutlich höheren Liquiditätsrisiko für die Versorger.

Derweil kämpft der Einzelhandel sowohl weiterhin mit den Pandemiefolgen wie etwa dem E-Commerce-Boom und eingeschränkter Warenverfügbarkeit als auch mit Kostensteigerungen und sinkender Kaufkraft. Im Non-Food-Bereich gelinge es wohl nur den stärksten Marktakteuren, höhere Einkaufspreise an die Verbraucher weiterzureichen. Entscheidend sei es daher, die eigenen Kosten zu senken, so die Studienautoren. "Dies könnte durch eine weitere Steigerung der Effizienz durch Digitalisierung erfolgen, etwa durch die Optimierung von Lieferketten, Lagerhaltung oder Online-Präsenz“, meint Alexander Müller, Co-Autor der Studie und Senior Partner bei Roland Berger.

Resilienz der Unternehmen rückt in den Fokus

Laut der Befragung steht bei der Restrukturierung künftig verstärkt die Resilienz des Unternehmens im Fokus. Ein Drittel der Experten erwartet sogar, dass das Sanierungskonzept eine Aussage darüber enthält, wie es um die Widerstandsfähigkeit des Unternehmens bei plötzlich auftretenden Krisen bestellt ist. Da die Zeiten linearer Planungen vorbei seien, brauchten Unternehmen mindestens einen Plan B, am besten auch einen Plan C, erklärt Sascha Haghani, ebenfalls Studienautor und Senior Partner bei Roland Berger. Jeder vierte Befragte hält denn auch die vermehrte Durchführung von Szenarioanalysen für hilfreich und 22 Prozent setzen auf verkürzte Planungsperioden.

Es ist vielleicht nötig, das 'Stabilitätsdenken' abzulegen; die Zukunft wird eine extreme Flut an Veränderungen mit sich bringen und die Vergangenheit hat uns gezeigt, dass die Rate der Veränderungen stetig zugenommen hat." Kristian Giesen in "Die Unternehmenskrise", Seite 33.

An einem proaktiven Risikomanagement zur Krisenfrüherkennung führt daher kein Weg vorbei. Zwar kann der Staat mit seinen Hilfsprogrammen Betriebe bei exogenen Krisen in Teilen entschädigen. Und das im Januar 2021 in Kraft getretene Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) soll helfen, Insolvenzen zu vermeiden. Jedoch müssen Unternehmen lernen, mit Unsicherheiten umzugehen, sich anzupassen und weiterzuentwickeln, um nachhaltig wettbewerbsfähig zu bleiben.

Wenn nötig, muss der CEO gehen

Thomas Forster et al. gehen noch einen Schritt weiter. Sie vertreten die These, dass die Krisenbewältigung einen Radical Change erfordert und glauben – ausgehend von Corona –, dass traditionelle Instrumente in aktuellen Unternehmens- und Branchenkrisen nicht mehr greifen. "Klassisches Turnaround-Management, das fokussiert auf die Restrukturierung der Passivseite und der Aktivseite der Bilanz setzt – insbesondere mittels einer Verbesserung der Leistungswirtschaft – ist ungeeignet, eine Marktposition mit einer langfristig nachhaltig positiven Profitabilität zu realisieren", schreiben die Springer-Autoren auf Seite 340.

Stattdessen sei eine strategische Business Transformation und gegebenenfalls die sofortige Trennung von erfolglosen CEOs unabdingbar. Sehr hilfreich für die neuen Anforderungen und Aufgaben einer strategischen Business-Transformation könne etwa ein Interim-CEO sein. Als Beispiel führen Forster et al. den Apple-Mitgründer Steve Jobs an, der 1985 aus der Firma ausgeschieden war. 1997 kam er als Interim-CEO zurück, stellte das Unternehmen komplett um und brachte es auf Erfolgskurs.

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